Neue IGeL: COVID-19-Antikörpertests: Viele Unsicherheiten für die Patienten

PRESSEMITTEILUNG DES MDS Berlin/Essen, 25. August 2020

Ein positiver Antikörpertest bedeutet nicht zwingend, dass man COVID-19 schon hatte. 37 vom Team des IGeL-Monitors zu Rate gezogene Studien und sieben Übersichtsarbeiten kommen zu dem Schluss, dass die Tests vor allem hinsichtlich falsch positiver Ergebnisse kritisch zu sehen sind. Dennoch bieten Arztpraxen COVID-19-Antikörpertests als Selbstzahlerleistung an. Die Beratung ist oft lückenhaft. Versicherte werden über die Bedeutung der Testergebnisse nicht ausreichend aufgeklärt.

Weltweit – gestützt durch etliche Studien – warnen Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler davor, sich nach einem COVID-19-Antikörpertest in Sicherheit zu wiegen. Dazu sei vor allem die Quote an falsch positiven Testergebnissen problematisch. Das ist auch das Fazit des wissenschaftlichen Teams des IGeL-Monitors nach Durchsicht von 37 Studien, sieben Übersichtsarbeiten und etlichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Obwohl es hinreichende Daten zu Antikörpertests auf COVID-19 gibt, lassen sich nur wenige Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit dieser Tests ziehen, die meisten Studien weisen erhebliche qualitative Mängel auf.

Das Team des IGeL-Monitors kommt daher zu dem Schluss, dass Antikörpertests zwar grundsätzlich in der Lage sind, zu einem späteren Zeitpunkt nach Symptombeginn eine vorhergegangene COVID-19-Erkrankung zu bestätigen. Dennoch ist nach derzeitigem Stand vieles unsicher. Man kann auch von einem positiven Testresultat individuell nicht sicher auf das Vorliegen von Antikörpern schließen, eine daraus resultierende Immunität ist wissenschaftlich ohnehin noch nicht geklärt.

Umgang mit den Antikörpertests in der Arztpraxis

In einer stichprobenartigen Recherche von 50 ärztlichen Praxen Ende Juli 2020 ging das Team des IGeL-Monitors der Frage nach, welche Antikörpertests von Praxen angeboten werden und ob sie als IGeL verkauft werden. Über die Hälfte der Praxen boten auf ihren Webseiten COVID-19-Antikörpertests an. Vier der 50 Praxen boten solche Tests nur mit Einschränkungen an, und zwei lehnten diese Tests explizit ab. Eine deutliche Mehrheit der Praxen bot einen Labortest an. Die Kosten dafür betrugen nach den Recherchen in der Regel je nach Antikörpertyp zwischen 20 und 52 Euro, hinzu kamen meist noch Kosten für Blutabnahme und Beratung. Einige Praxen boten den Antikörpertest auch als Schnelltest an. Der funktioniert ähnlich wie ein Schwangerschaftstest, allerdings braucht man in diesem Fall einen Tropfen Blut, der auf einen Teststreifen aufgetragen wird. Namhafte Gesundheits-organisationen wie das Robert Koch-Institut, die Weltgesundheitsorganisation sowie die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin raten übereinstimmend von solchen Schnelltests ab.

Ergänzende Versichertenbefragung zu COVID-19-Antikörpertests

Im Juli 2020 führte das Marktforschungsinstitut aserto im Auftrag des MDS eine ergänzende Befragung bei über 6.800 Versicherten durch. Sechs Prozent der Versicherten gaben an, nach einem Covid-19-Antikörpertest selbst gefragt zu haben, oder er ist ihnen in der Arztpraxis angeboten worden. 218 Versicherte haben den Antikörpertest machen lassen. Ziel der Befragung war es, herauszufinden, ob Versicherte von ihren Ärztinnen und Ärzten adäquat beraten und aufgeklärt werden ─ vor allem, ob sie über die Unsicherheiten und Ungenauigkeiten informiert werden, die mit den derzeitigen COVID-19-Antikörpertests verbunden sind.

Drei von zehn Patientinnen und Patienten wurden über die Ungenauigkeiten des Tests gar nicht informiert, knapp die Hälfte erfuhr nichts über die Möglichkeit falsch positiver Ergebnisse. Ein Viertel der Befragten wurde im Unklaren darüber gelassen, ob ein positives Testergebnis auf eine Immunität hinweist und wie lange diese Immunität möglicherweise anhält.

Die Gefahr positiver Ergebnisse und insbesondere falsch positiver Ergebnisse ist, dass sich Versicherte in trügerischer Sicherheit wiegen. Sie denken, die Krankheit kann ihnen nichts mehr anhaben. Dadurch besteht auch das Risiko, dass sie das Virus unbemerkt weiter-verbreiten. Die ärztliche Pflicht wäre es, die Versicherten über mögliche Gefahren und Risiken aufzuklären und sie so zu informieren, dass sie in der Lage sind, ihre Testergebnisse richtig einzuordnen.

Hintergrund:

Das Internetportal www.igel-monitor.de wird vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS) betrieben. Es bietet Versicherten eine wissenschaftlich fundierte Entscheidungshilfe für oder gegen die Inanspruchnahme von Selbstzahlerleistungen. Die Bewertungen des IGeL-Monitors basieren auf den Methoden der Evidenzbasierten Medizin (EbM) .

Bis August 2020 wurden 53 Leistungen bewertet:

  • positiv 0
  • tendenziell positiv 2
  • unklar 21
  • tendenziell negativ 24
  • negativ 4
  • in Überarbeitung 1
  • zu GKV-Leistung geworden 1

Sechs weitere IGeL wurden nicht bewertet, sondern nur besprochen.

Der MDS berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen.

Pressekontakt:

Andreas Lange
Freier Journalist
Redakteur IGeL-Monitor

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