IGeL-Monitor: Umgang mit IGeL in Augenarztpraxen verunsichert Patienten

PRESSEMITTEIILUNG DES MDS Berlin/Essen, 30. August 2019

Fast jeder zweite Versicherte bekommt beim Praxisbesuch Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten. Besonders häufig sind Patientinnen und Patienten damit in Augenarztpraxen konfrontiert. Der IGeL-Monitor nimmt den Umgang mit Selbstzahlerleistungen kritisch unter die Lupe und stellt als neue Bewertung die Früherkennung eines Glaukoms mit der Optischen Kohärenztomographie vor.

Der Markt für Individuelle Gesundheitsleistungen boomt. Rund 1 Mrd. Euro setzen Arztpraxen damit im Jahr um. IGel sind gut bekannt und werden oft in Anspruch genommen. Das Informationsbedürfnis der Versicherten nimmt ebenfalls zu. Täglich informieren sich knapp 2.000 Besucherinnen und Besucher auf dem Internetportal IGeL-Monitor. Besonders groß ist das Informationsbedürfnis bei IGeL in der Augenarztpraxis. Von den insgesamt 51 Bewertungen im IGeL-Monitor werden die beiden bisherigen Bewertungen zur Glaukom-Früherkennung am meisten abgerufen – sie machen rund 15 Prozent der Seitenabrufe aus. Bei den Zuschriften von Versicherten an den IGeL-Monitor thematisieren knapp 40 Prozent augenärztliche IGeL. Die Erfahrungen, die dabei geschildert werden, belegen zum Teil aggressives Praxismarketing. So berichten Versicherte vielfach, dass sie bereits von den Praxiskräften zum Kauf von IGeL aufgefordert werden oder dass davon der Arzttermin abhängig gemacht wird.

„Augenarztpraxen halten sich häufig nicht an die anerkannten Regeln für den Verkauf von IGeL. Stattdessen wird ausgesprochen unseriöses Marketing betrieben und selbst vulnerable Patientengruppen wie ältere Menschen, Patienten mit wenig Geld und Versicherte in ländlichen Regionen mit wenig Praxisangebot fühlen sich unter Druck gesetzt“, sagt Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS . „Daher appellieren wir an die Ärzteschaft, sich an die anerkannten Regeln zu halten und zu einem seriösen Umgang mit IGeL zurückzukehren.“

IGeL-Monitor bewertet OCT zur Glaukom-Früherkennung mit „tendenziell negativ“

Der IGeL-Monitor hat in seiner neuen Bewertung eine weitere IGeL zum Thema Augen untersucht. Die Expertinnen und Experten haben dabei recherchiert, ob die Optische Kohärenztomographie (OCT) als Früherkennungsuntersuchung verhindern kann, dass Menschen wegen eines Glaukoms erblinden. Die Fachleute konnten dazu keine aussagefähigen Studien finden. Sie konnten ebenfalls keine Studien finden, die zeigen, dass eine frühe Therapie nützlich ist. Indirekte Schäden durch Überdiagnosen sind aber auch bei der OCT zur Glaukom-Früherkennung zu erwarten. Bei der Abwägung des Schaden - und Nutzen potenzials kamen die Experten daher zu dem Schluss, dass diese Früherkennungsuntersuchung mit „tendenziell negativ“ zu bewerten ist. Im Vorfeld hatten sich Versicherte an den IGeL-Monitor gewandt und nach der OCT zur Glaukom-Früherkennung gefragt. Der IGeL-Monitor hat deshalb zunächst recherchiert, ob die OCT dafür überhaupt eingesetzt wird. „Eine erste Nachfrage bei Augenärzten zum Stellenwert der OCT zur Früherkennung ergab, dass der Einsatz skeptisch gesehen wird. Auch in den Leitlinien wird diese Untersuchung nicht zur Früherkennung empfohlen. Unsere Recherche bei 100 Augenarztpraxen zeigt aber, dass 25 Prozent der Praxen die OCT genau zu diesem Zweck anbieten“, erklärt Dr. Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs Evidenzbasierte Medizin beim MDS .

IGeL-Monitor macht Regeln für Versicherte transparent

Angestoßen durch die Beschwerden der Patientinnen und Patienten hat der IGeL-Monitor die zentralen, anerkannten Regeln für den Verkauf von IGeL in der Arztpraxis ausgewertet und kurz zusammengefasst. Diese gehen auf das Patientenrechtegesetz, den Bundesmantelvertrag der Ärzte und Empfehlungen der Ärzteschaft zurück. Demnach dürfen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht als IGeL angeboten werden. Das Angebot und die Durchführung einer Kassenleistung darf nicht vom Kauf einer Selbstzahlerleistung abhängig gemacht werden. Es ist auch nicht zulässig, Druck auf Patientinnen und Patienten auszuüben. Sie sind über Nutzen und Schaden aufzuklären und eine schriftliche Vereinbarung über Leistung und Kosten ist Pflicht. „Die Zuschriften an den IGeL-Monitor belegen, dass die Regeln in der Praxis nicht immer befolgt werden und dass sich viele Versicherte dadurch verunsichert fühlen. Es ist nicht in Ordnung, wenn nicht sorgfältig über Schaden und Nutzen aufgeklärt wird“, sagt Dr. Christian Weymayr, freier Medizinjournalist und Projektleiter des IGeL-Monitors.

Die Evidenz der Selbstzahlerleistungen überzeugt nicht

Der IGeL-Monitor stellt auf seinem Informationsportal 51 Bewertungen und 4 Beschreibungen zur Verfügung. Das Wissenschaftlerteam bewertet 4 IGeL als „negativ“ – das heißt der Schaden ist deutlich größer als der Nutzen . Das gilt zum Beispiel für den Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung. 22 IGeL werden als „tendenziell negativ“ eingestuft. Der zu erwartende Schaden ist dabei größer als der Nutzen – dazu gehört auch die jüngste Bewertung zur OCT. 20 IGeL schnitten mit „unklar“ ab, weil es keine aussagekräftigen Studien gibt oder sich Schaden und Nutzen die Waage halten. Das trifft zum Beispiel auf den M2-PK-Test zur Darmkrebsfrüherkennung zu. Das IGeL-Monitor-Team bewertet aktuell 2 IGeL mit „tendenziell positiv“, weil der zu erwartende Nutzen größer als das Schadens potenzial ist – das trifft zum Beispiel auf die Akupunktur zur Migräneprophylaxe zu. Keine IGeL konnte bislang mit „positiv“ bewertet werden.

Hintergrund:

Das Internetportal www.igel-monitor.de wird vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS) betrieben. Es bietet Versicherten eine wissenschaftlich fundierte Entscheidungshilfe für oder gegen die Inanspruchnahme von Selbstzahlerleistungen. Die Bewertungen des IGeL-Monitors basieren auf den Methoden der Evidenzbasierten Medizin (EbM) . Für die Bewertung von Nutzen und Schaden einer IGeL-Leistung recherchiert das Team aus Medizinern und Methodikern beim MDS in medizinischen Datenbanken. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tragen die Informationen nach einer definierten Vorgehensweise zusammen und werten sie systematisch aus. Das IGeL-Team wägt Nutzen und Schaden gegeneinander ab und fasst das Ergebnis in einer Bewertungsaussage zusammen, die von „positiv“, „tendenziell positiv“ und „unklar“ bis zu „tendenziell negativ“ und „negativ“ reicht.

Alle Analyseschritte einer Bewertung sind auf dem IGeL-Monitor dokumentiert. Jede bewertete IGeL wird in mehreren Ebenen dargestellt, die von Stufe zu Stufe ausführlicher und fachlicher werden: von der zusammenfassenden Bewertungsaussage bis hin zu den für ein Fachpublikum hinterlegten Ergebnissen der wissenschaftlichen Recherche und Analyse. Versicherte erfahren außerdem, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bei den Beschwerden übernommen werden, für die eine IGeL-Leistung angeboten wird. Sie erhalten auch Auskunft über die Preisspanne. Und schließlich gibt der IGeL-Monitor Tipps für den Umgang mit IGeL.

Der MDS berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem per Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen.

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