Kortison hilft nicht beim Hörsturz

PRESSEMITTEILUNG DES MDS Essen, 9. Juli 2015

Wie es zu einem Hörsturz kommt, weiß man nicht. Eventuell spielen Entzündungen eine Rolle, die von Glukokortikoiden eingedämmt werden sollen. Wirklich hilfreich ist das aber nicht.

Für die Behandlung des Hörsturzes wird eine Vielzahl von Individuellen Gesundheitsleistungen, kurz IGeL, angeboten. Eine dieser IGeL ist die Gabe von Glukokortikoiden, zu denen auch Kortison gehört. Das Team des IGeL-Monitors ging der Frage nach, was man aktuell über Nutzen und Schaden der systemischen, das heißt, den ganzen Organismus betreffenden Glukokortikoid-Gabe beim Hörsturz weiß. Ergebnis: Die analysierten Übersichtsarbeiten kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass die bislang vorliegenden Studien keinen Effekt der Behandlung zeigen. Auf mögliche Nebenwirkungen gehen die Arbeiten so gut wie nicht ein. Da die Glukokortikoid-Therapie nur wenige Tage dauert, sind Nebenwirkungen zwar kaum zu erwarten, aber ausschließen kann man sie nicht. Insgesamt bewertet der IGeL-Monitor „Glukokortikoide beim Hörsturz“ deshalb als „tendenziell negativ“.

Der Hörsturz ist für die Medizin höchst rätselhaft: Bei der Frage, warum jedes Jahr tausende Menschen in Deutschland plötzlich auf einem Ohr schlecht hören, manchen dabei schwindelig wird, andere ein Pfeifen hören oder ein Druckgefühl verspüren, tappt die Wissenschaft im Dunkeln.Weitgehend unklar ist ebenso, was beim Hörsturz eigentlich passiert. Entsprechend wenige Anhaltspunkte haben Ärztinnen und Ärzte für eine Therapie. Bei den meistenBetroffenen ist eine Behandlung gar nicht sinnvoll, da sich die Beschwerden von alleine wieder bessern.

Auch wenn man bislang wenig über die Ursachen weiß, so gibt es doch einige Hypothesen dazu. Eine Annahme besagt, dass Entzündungen eine Rolle spielen könnten. Um den Heilungsprozess in Gang zu setzen oder zu beschleunigen, könnten demnach entzündungshemmende Arzneimittel hilfreich sein. Dazu zählen etwa die Glukokortikoide mit ihrem prominenten Vertreter Kortison. Die Glukokortikoide können systemisch als Tabletten oder Infusionen verabreicht oder lokal durch das Trommelfell in das Mittelohr gespritzt werden. Die Bewertung des IGeL-Monitors bezieht sich nur auf die systemische Gabe mittels Tabletten oder Infusionen.

Bei ihrer Suche in medizinischen Datenbanken fanden die Expertinnen und Experten des IGeL-Monitors drei aktuelle Übersichtsarbeiten . Bei Übersichtsarbeiten handelt es sich um Arbeiten, in denen die Ergebnisse mehrerer Einzelstudien analysiert werden. Eine der gefundenen Übersichtsarbeiten haben sie wegen methodischer Mängel ausgeschlossen. In den beiden verbleibenden Arbeiten wurden dieselben zwei, beziehungsweise drei Einzelstudien ausgewertet. Obwohl eine der Einzelstudien einen gewissen Vorteil der Behandlung gegenüber einer Scheinbehandlung zeigt, kommen beide Übersichtsarbeiten zu dem Schluss, dass kein Effekt belegt werden konnte und deshalb die systemische Gabe von Glukokortikoiden keine geeignete Behandlung für den Hörsturz darstellt.

Über Schäden berichten die Übersichtsarbeiten wenig. Andere Einzelstudien zeigen, dass mögliche Nebenwirkungen gering sind. Die Nebenwirkungen von Kortison, die von den Therapien anderer Erkrankungen bekannt und gefürchtet sind, treten meist erst nach längerer Behandlung auf. Da Glukokortikoide beim Hörsturz nur für wenige Tage gegeben werden, sind Nebenwirkungen kaum zu erwarten, aber nicht ausgeschlossen.

Hintergrund:

Unter www.igel-monitor.de erhalten Versicherte evidenzbasierte Bewertungen zu sogenannten "Selbstzahlerleistungen". Entwickelt wurde die nicht-kommerzielle Internetplattform vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS) . Der MDS berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen.

Die IGeL „Glukokortikoide beim Hörsturz“ ist die 35. Leistung, die der IGeL-Monitor inzwischen bewertet hat. Bislang gab es folgende Bewertungen:

  • „positiv“ 0
  • „tendenziell positiv“ 4
  • „unklar“ 13
  • „tendenziell negativ“14
  • „negativ“ 4

Davon wurden 11 IGeL-Bewertungen bereits aktualisiert. 4 weitere IGeL wurden nicht bewertet, sondern nur besprochen.

Zur Bewertung der IGeL "Glukokortikoide beim Hörsturz"

Pressekontakt:

IGeL-Monitor
Dr. Christian Weymayr
Tel.: 01577 6811061
E-Mail: presse@igel-monitor.de