Ärztinnen und Ärzte

Welche Rolle spielen Ärztinnen und Ärzte im IGeL-Markt?

Viele ärztliche Praxen bieten IGeL an. Nach einer repräsentativen Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) aus dem Jahr 2019 offerierten Ärztinnen und Ärzte innerhalb eines Jahres mehr als vier von zehn Versicherten (28,9 Prozent) individuelle Gesundheitsleistungen. Hochgerechnet auf alle gesetzlich Versicherten in Deutschland sind das rund 18 Millionen IGeL, die Ärztinnen und Ärzte ihren Patientinnen und Patienten angeboten haben.

Die meisten dieser IGeL entfallen auf Ultraschalluntersuchungen und Leistungen im Rahmen der Glaukomfrüherkennung. Alleine diese beiden IGeL-Gruppen machen schon fast die Hälfte des gesamten IGeL-Marktes aus (45 Prozent). Das WIdO schätzt das jährliche Umsatzvolumen von IGeL auf rund eine Milliarde Euro, dabei „igeln“ augenärztliche Praxen laut der Befragung im Durchschnitt siebenmal so häufig wie Praxen der Allgemeinmedizin.

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Welche Interessen verfolgen Ärztinnen und Ärzte?

Ärztinnen und Ärzte bieten IGeL an, weil sie die Leistungen für sinnvoll erachten, weil sie die Wünsche ihrer Patientinnen und Patienten nach besonderen Leistungen erfüllen möchten, weil sie ihrer Praxis damit ein besonderes Profil geben wollen und weil sie damit Geld verdienen können. Manchmal trifft vielleicht nur einer der Gründe zu, manchmal alle vier.

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Welche IGeL werden besonders häufig angeboten?

Laut IGeL-Report 2020 sind die Top-10 im IGeL-Markt bis auf eine Ausnahme allesamt Vorsorgeuntersuchungen.

Eine Besonderheit ist die IGeL Dermatoskopie zur Hautkrebs-Vorsorge, die seit April 2020 als Bestandteil der Hautkrebsfrüherkennung alle zwei Jahre von den Kassen übernommen wird.
Viele weitere IGeL gehören zu den Verfahren der Alternativmedizin, die dem Bedürfnis vieler Menschen nach „ganzheitlicher“ Behandlung entgegenkommen.

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Warum werden diese Verfahren nicht von den Kassen bezahlt?

Das Sozialgesetzbuch V schreibt vor, dass Versicherte einen Anspruch auf notwendige Behandlungen und andere definierte Leistungen haben. Mit wenigen Ausnahmen – wie beispielsweise Reiseimpfungen, die per Gesetz nicht zum Leistungsumfang der Kassen gehören – gelten IGeL jedoch nicht als notwendig.

Auch wenn eine Ärztin oder ein Arzt eine IGeL aufgrund „guter Erfahrungen“ anbietet, heißt das noch lange nicht, dass die Leistung nützlich oder gar notwendig ist. Denn bessert sich die Krankheit, beweist das nicht, dass die Behandlung die Ursache für die Besserung war. In den wohl meisten Fällen wäre die Krankheit auch ohne ärztliches Zutun wieder verschwunden. Auch bei Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen kann aus der individuellen Erfahrung heraus nicht beurteilt werden, wie groß Nutzen und Schaden der Untersuchung sind.

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Wie stehen die ärztliche Organisationen zu IGeL?

Meist stehen medizinische Fachgesellschaften als oberste Autorität dem IGeL-Geschäft skeptisch bis ablehnend gegenüber. Das wird in medizinischen Leitlinien  deutlich, deren Empfehlungen weitgehend mit den Bewertungen des IGeL-Monitors übereinstimmen.

Ärztliche Berufsverbände vertreten dagegen primär die Interessen ihrer Mitglieder, also auch deren wirtschaftliche Interessen.
Im Jahr 2006 hat sich der 109. Deutsche Ärztetag eingehend mit dem Thema IGeL befasst. Laut Beschlussprotokoll sind IGeL aus Sicht des Ärztetages „erforderliche Leistungen, die von der GKV nicht gezahlt werden, ärztlich empfehlenswerte Leistungen außerhalb des GKV-Systems und von Patientinnen und Patienten initiativ gewünschte, ärztlich vertretbare Leistungen“.

Welche Leistungen nicht mehr vertretbar sind, liegt allein im Ermessen einer Ärztin oder eines Arztes. Für die Praxis ergibt sich daraus folgende Situation: Auch wenn es fachlich wünschenswert wäre, dass sich der IGeL-Markt an den Leitlinien der Fachgesellschaften orientiert und deshalb die meisten IGeL nicht angeboten werden, ist es nach den Empfehlungen des Ärztetages legitim, auch IGeL anzubieten, die zumindest vertretbar sind. Was nicht mehr vertretbar erscheint, ist Ansichtssache.

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Bieten alle Praxen IGeL an?

Die Einstellung zu IGeL ist unterschiedlich. Während manche Ärztinnen und Ärzte so intensiv „igeln“, dass selbst ärztliche Verbände von „schwarzen Schafen" sprechen, spielen IGeL für andere nur eine untergeordnete Rolle. Sie bieten einige wenige IGeL an, bewerben sie aber nicht aktiv. Manche betonen auf ihren Homepages sogar explizit, dass sie grundsätzlich keine IGeL anbieten. Ganz ohne Selbstzahlerleistungen kommen jedoch auch diese Ärztinnen und Ärzte nicht aus: Reiseimpfungen, Atteste und andere Leistungen, die nachgefragt werden, aber keine Kassenleistung sein dürfen, werden auch von ihnen erbracht.

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Wie werden IGeL angeboten?

Mittlerweile hat sich eine eigene Branche etabliert, die Praxen beim Anbieten von IGeL unterstützt. Die Spanne reicht von Consulting-Agenturen über Wartezimmer-TV bis hin zu Marketingkursen im Medizinstudium. Wenn für IGeL geworben werden soll, bieten sich dafür der Internetauftritt der Praxis sowie die Praxis selbst an. Informationen haben dabei oft eher werbenden Charakter, sie dienen weniger dazu, ausgewogen über die Vor- und Nachteile der IGeL aufzuklären. Das kann auch mit einem Herabwürdigen der entsprechenden Kassenleistungen einhergehen, wenn etwa Pappaufsteller, Plakate und Handzettel in der Praxis darauf hinweisen, dass die IGeL mehr kann als die Kassenleistung. Besonders einfach machen es sich Praxen, die Flyer und Broschüren der herstellenden Firmen auslegen und verteilen.

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