Akupunktur zur Vorbeugung von Migräneanfällen

Kann Akupunktur Migräneanfälle verhindern und Symptome lindern?

Akupunkturnadeln stecken im vorderen Stirnbereich einer Frau

IGeL-Info kompakt

IGeL-Steckbrief
Fachgebiete Allgemeinmedizin , Neurologie , Innere Medizin
Bereich Kopf und Gehirn
Anlass

Migräne

Verfahren

Akupunktur

Kosten

Pro Sitzung je nach Dauer der Behandlung 11,66 Euro oder 20,40 Euro

GKV-Leistung

Vorwiegend Medikamente, in besonderen Fällen auch psychotherapeutische Verfahren bei Migräne

Wir bewerten die Akupunktur zur Migränevorbeugung als „tendenziell positiv“.

Migräne ist eine der häufigsten Kopfschmerzarten. Fast ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland gibt an, darunter zu leiden. Bei der Migräne kommt es zu wiederkehrenden Kopfschmerz-Attacken, die bis zu 72 Stunden anhalten können. Typischerweise haben die Betroffenen mäßige bis starke, einseitig pulsierende Schmerzen, die durch körperliche Aktivität verstärkt werden. Häufig gehen sie mit Übelkeit oder Empfindlichkeit gegenüber Licht und Lärm einher. In medizinischen Leitlinien werden verschiedene Maßnahmen empfohlen, um Migräneanfällen vorzubeugen. Das können vorbeugende Medikamente sein, aber auch nicht-medikamentöse Verfahren wie Entspannungstechniken, Biofeedback, Verhaltenstherapie und Ausdauersport. Die klassische Körperakupunktur ist eine Behandlung aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), bei der feine Nadeln in bestimmte Stellen des Körpers gestochen werden. Nach traditioneller Vorstellung soll die Behandlung Blockaden in sogenannten Leitbahnen (Meridiane) lösen und so Störungen des Energieflusses (Qi) beheben. Die Akupunktur ist in der Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte (GOÄ) gelistet. Danach kostet eine Akupunktur-Sitzung je nach Dauer der Behandlung 11,66 Euro oder 20,40 Euro im einfachen Satz. Zur Vorbeugung von Migräne ist Akupunktur eine Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL).

Der IGeL-Monitor wollte wissen, welchen Nutzen und Schaden die Akupunktur zur Migränevorbeugung hat. In den Studien wurde die Akupunktur mit vorbeugenden Medikamenten, mit einer Scheinakupunktur und keiner vorbeugenden Behandlung verglichen. Anhand der Studienergebnisse ließ sich für die Akupunktur der Hinweis auf einen Nutzen erkennen. Die Akupunktur zeigte Vorteile gegenüber keiner vorbeugenden Behandlung. Verglichen mit vorbeugenden Medikamenten kam die Akupunktur zu gleichwertigen und zum Teil zu besseren Ergebnissen. Hinweise darauf, dass von der Akupunktur das Risiko eines Schadens ausgeht, gab es nicht. Im Vergleich zur vorbeugenden Medikamentengabe wurden sogar weniger Nebenwirkungen beobachtet. Insgesamt traten schwere Nebenwirkungen und Komplikationen sehr selten auf.

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https://www.igel-monitor.de/igel-a-z/igel/show/akupunktur-zur-vorbeugung-von-migraeneanfaellen.html

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Fachgebiete Allgemeinmedizin , Neurologie , Innere Medizin
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Migräne

Verfahren

Akupunktur

Kosten

Pro Sitzung je nach Dauer der Behandlung 11,66 Euro oder 20,40 Euro

GKV-Leistung

Vorwiegend Medikamente, in besonderen Fällen auch psychotherapeutische Verfahren bei Migräne

IGeL

Die Akupunktur ist eine Behandlung aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), bei der feine Nadeln in bestimmte Stellen des Körpers gestochen werden. Seit 2007 ist die klassische Körperakupunktur mit Nadeln in zwei Fällen Kassenleistung: bei chronischen Rückenschmerzen der Lendenwirbelsäule und bei chronischen Schmerzen aufgrund einer Kniegelenksarthrose, die jeweils mindestens sechs Monate bestehen. Zur Vorbeugung von Migräne ist Akupunktur eine individuelle Gesundheitsleistung. In medizinischen Leitlinien werden verschiedene Maßnahmen empfohlen, um Migräneanfällen vorzubeugen. Dazu zählen die Einnahme von Medikamenten sowie nicht-medikamentöse Verfahren wie Entspannungstechniken, Biofeedback, Verhaltenstherapie und Ausdauersport. Laut einer Umfrage in Deutschland nehmen etwa 5 von 100 Personen mit episodischer Migräne Medikamente zur Vorbeugung von Migräneanfällen ein. Die Akupunktur ist in der Gebührenordnung für Ärztinnen und Ärzte (GOÄ) gelistet. Danach kostet eine Akupunktur-Sitzung je nach Dauer der Behandlung 11,66 Euro oder 20,40 Euro im einfachen Satz (Regelhöchstsatz: 26,81 Euro bzw. 46,92 Euro).

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Gesundheitsproblem

Migräne ist eine der häufigsten Kopfschmerzarten. Fast ein Viertel der erwachsenen Menschen in Deutschland gibt an, darunter zu leiden. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, jüngere Menschen häufiger als ältere. Migräne kann den Alltag der Betroffenen stark einschränken. Typisch für eine Migräne sind mäßige bis starke, pochende oder pulsierende Kopfschmerzen. Oft treten sie nur auf einer Seite des Kopfes auf und können bis zu 72 Stunden lang anhalten. Körperliche Aktivität kann die Schmerzen verstärken. Die Kopfschmerzen können mit Übelkeit und Erbrechen einhergehen. Manche Betroffene sind während eines Migräneanfalls zudem besonders licht- oder lärmempfindlich. In den meisten Fällen liegt eine episodische Migräne vor. Dabei kommt es in unterschiedlich großen Abständen zu wiederkehrenden Attacken. Von einer chronischen Migräne spricht man, wenn Kopfschmerzen über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten an 15 Tagen oder mehr pro Monat auftreten. Die genauen Ursachen von Migräne sind nicht bekannt. Sowohl eine genetische Veranlagung als auch Umwelteinflüsse wie Stress, Ernährung oder das Wetter scheinen eine Rolle zu spielen.

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Methode

Bei der klassischen Körperakupunktur werden feine Nadeln entlang sogenannter Leitbahnen (Meridiane) in die Haut gestochen. Nach traditioneller Vorstellung wird davon ausgegangen, dass durch die Leitbahnen Lebensenergie (Qi) fließt. Ist der Energiefluss gestört, sollen Krankheiten und Schmerzen auftreten können. Die Akupunktur soll Blockaden in den Leitbahnen lösen und so Störungen des Energieflusses beheben. In der traditionellen chinesischen Medizin existieren knapp 400 Akupunkturpunkte, bei einer Sitzung werden in der Regel bis zu 20 Nadeln gesetzt. Eine Sitzung dauert etwa zwischen 20 und 40 Minuten. Bei den Kassenleistungen - also Akupunktur bei „chronischen Schmerzen in der Lendenwirbelsäule“ und bei „chronischen Schmerzen in mindestens einem Kniegelenk“ - sind in der Regel bis zu zehn Sitzungen innerhalb von maximal sechs Wochen vorgesehen.

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Empfehlungen anderer

Das Team des IGeL-Monitors ist der Frage nachgegangen, wie internationale medizinische Fachgesellschaften die Akupunktur zur Vorbeugung von Migräneanfällen beurteilen. Eine deutsche Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft) weist auf widersprüchliche Ergebnisse aus Studien zur Wirksamkeit der Akupunktur verglichen mit einer Scheinakupunktur hin. Insgesamt wird die Wirksamkeit einer Akupunktur als „moderat“ eingestuft. Eine Leitlinie stammt von der britischen Gesundheitsbehörde National Institute for Health and Care Excellence ( NICE ). Sie sagt, dass Akupunktur zur Vorbeugung von Migräne in Betracht gezogen werden kann, wenn Medikamente nicht wirken oder die Einnahme von Medikamenten nicht geeignet oder von den Patientinnen oder Patienten nicht gewünscht ist.

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Bewertung

Wirkung

Um zu beantworten, ob eine vorbeugende Behandlung mit klassischer Körperakupunktur bei Patientinnen und Patienten mit wiederkehrender Migräne einen Nutzen hat oder ob Schäden auftreten können, suchte das wissenschaftliche Team des IGeL-Monitors in unterschiedlichen Datenbanken nach relevanten Studien und systematischen Übersichtsarbeiten . Es wurden mehrere Übersichtsarbeiten und zusätzlich vier Einzelstudien gefunden, bei denen eine Akupunktur entweder mit einer vorbeugenden Medikamentengabe, einer Scheinakupunktur oder keiner vorbeugenden Behandlung verglichen wurde. Bei der Scheinakupunktur werden die Nadeln an „falsche“ Stellen oder nicht tief genug gesetzt. In die Bewertung eingeflossen sind die Ergebnisse einer Übersichtsarbeit , die die meisten für unsere Fragestellung relevanten Studien (21 Studien) enthielt, sowie drei der zusätzlich gefundenen Einzelstudien, insgesamt haben wir also die Ergebnisse von 24 Einzelstudien berücksichtigt.

Nutzen

Eine Akupunktur zur Vorbeugung von Migräne wäre nützlich, wenn sie zu weniger Migräneanfällen, zu einer Linderung der Beschwerden oder zu einer Verbesserung der Lebensqualität führen würde.

Die Studien kamen zu folgenden Ergebnissen:

Verglichen mit einer vorbeugenden Medikamentengabe waren die Ergebnisse der Akupunktur hinsichtlich „Häufigkeit von Kopfschmerzen“, „Anzahl an Migräneanfällen“, „Anzahl an Tagen mit Migräne“ und „Einnahme zusätzlicher Schmerzmittel“ gleichwertig. In Bezug auf „Stärke der Kopfschmerzen“ und „Ansprechen auf die Behandlung“ war die Akupunktur besser als eine vorbeugende Medikamentengabe.

Bei dem Vergleich der Akupunktur mit einer Scheinakupunktur wurden fast keine Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen gefunden. Lediglich in Bezug auf „Ansprechen auf die Behandlung“ zeigten sich Vorteile der Akupunktur gegenüber einer Scheinakupunktur. Grund dafür können Placebo-Effekt e sein.

Im Vergleich zu keiner vorbeugenden Behandlung schnitt die Akupunktur bei fast allen Endpunkten besser ab.

Eine methodische Schwäche der Studien zum Vergleich der Akupunktur mit einer vorbeugenden Medikamentengabe sowie zum Vergleich mit keiner vorbeugenden Behandlung ist vor allem, dass die Studienteilnehmenden nicht „verblindet“ werden konnten. Das heißt, sowohl die Behandelnden als auch die Patientinnen und Patienten wussten, in welcher Studiengruppe sie waren und welche Behandlung durchgeführt wurde. Dies kann zu Verzerrungen der Ergebnisse führen, beispielsweise dadurch, dass eine positive Erwartungshaltung gegenüber der Akupunktur Ergebnisse wie Stärke der Kopfschmerzen oder die Häufigkeit von Migräneanfällen beeinflusst. Diese Gefahr besteht vor allem deshalb, weil es sich um subjektive Ergebnisse handelt, die von den Patientinnen und Patienten selbst beichtet wurden.

In der Gesamtschau lässt sich aufgrund der Studienergebnisse ein Hinweis auf einen Nutzen der Akupunktur ableiten.

Schaden

Eine Akupunktur zur Vorbeugung von Migräne wäre schädlich, wenn durch die Behandlung Nebenwirkungen auftreten würden oder die Lebensqualität beeinträchtigt würde.

Hier liefern die Studien folgende Ergebnisse:

Verglichen mit einer medikamentösen Migräne-Vorbeugung berichteten die Patientinnen und Patienten, die mit Akupunktur behandelt wurden, von weniger Nebenwirkungen ; und es brachen weniger Personen aufgrund von Nebenwirkungen die Behandlung ab. Dies bedeutet, dass die Akupunktur gegenüber der vorbeugenden medikamentösen Behandlung einen Vorteil gezeigt hat.

Keine Unterschiede wurden in Bezug auf schwere Nebenwirkungen oder Komplikationen gefunden. Diese traten allerdings insgesamt sehr selten auf.

Bei dem Vergleich der Akupunktur mit einer Scheinakupunktur oder keiner vorbeugenden Behandlung zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich des Auftretens von Nebenwirkungen und Komplikationen.

Insgesamt sehen wir keine Hinweise auf einen Schaden der Akupunktur.

Fazit

Wir bewerten die Akupunktur zur Migräneprophylaxe nach Abwägung von Nutzen und Schaden als „tendenziell positiv“.

Anhand der Studienergebnisse ließ sich für die Akupunktur insgesamt ein Hinweis auf einen Nutzen ableiten. Verglichen mit vorbeugenden Medikamenten kam die Akupunktur meistens zu gleichwertigen Ergebnissen. Bezogen auf „Stärke der Kopfschmerzen“ und „Ansprechen auf die Behandlung“ schnitt sie besser ab. Vorteile zeigte sie auch im Vergleich mit keiner vorbeugenden Behandlung.

Was das Risiko eines Schadens angeht, wurde kein Hinweis auf einen Nachteil der Akupunktur gegenüber den Kontrollgruppe n festgestellt. Im Vergleich zur vorbeugenden Medikamentengabe wurden sogar weniger Nebenwirkungen berichtet. Insgesamt traten schwere Nebenwirkungen und Komplikationen sehr selten auf.

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Akupunktur zur Vorbeugung von Migräneanfällen

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Allgemeine Informationen zu dieser IGeL

  • Migräne: eine der häufigsten Kopfschmerzarten, wiederkehrende Kopfschmerz-Attacken, die bis zu 72 Stunden anhalten können.
  • Häufig gehen sie mit Übelkeit oder Empfind­lichkeit gegenüber Licht und Lärm einher.
  • Die klassische Körperakupunktur ist eine Behandlung aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). An bestimmten Stellen des Körpers werden auf sogenannten Leitbahnen (Meridianen) feine Nadeln gestochen, um den Energiefluss (Qi) positiv zu beeinflussen.
  • Kosten je Sitzung: ca. 12 bis 20 Euro (einfacher Satz)
  • Das bezahlen die Krankenkassen (GKV): Behandlung mit Medikamenten, teilweise psychotherapeutische Verfahren.

Was sagt der IGeL-Monitor über den Nutzen ?

  • Akupunktur soll Migräneanfälle verhindern oder abschwächen.
  • Studien vergleichen Akupunktur mit medika­mentöser Behandlung, mit Scheinakupunktur oder mit Nicht-Behandlung.
  • Verglichen mit vorbeugender Medikamenten­gabe waren die Ergebnisse gleichwertig (u. a. Anzahl von Migräneanfällen), zum Teil besser (u. a. Stärke der Kopfschmerzen).
  • Keine Verblindung, Placebo-Effekt möglich
  • Verglichen mit Scheinakupunktur fast keine Unterschiede.
  • Verglichen mit keiner vorbeugenden Behandlung bessere Ergbnisse

Was sagt der IGeL-Monitor über den Schaden ?

  • Weniger Nebenwirkungen im Vergleich zu medikamentöser Behandlung.
  • Keine Unterschiede in Bezug auf schwere Nebenwirkungen oder Komplikationen, diese sind insgesamt sehr selten.
  • Keine Hinweise auf Schäden.

Was meint der IGeL-Monitor?

  • Unsere Bewertung lautet „tendenziell positiv“, da die Akupunktur verglichen mit Medikamenten gleichwertige Ergebnisse zeigt, aber weniger Nebenwirkungen hat.
  • Verglichen mit keiner vorbeugenden Behandlung schneidet sie besser ab.

Woher weiß der IGeL-Monitor das?

  • Analyse der internationalen Forschungsergebnisse durch das wissenschaftliche Team des IGeL-Monitors.
  • Wichtigste Quellen: Mehrere Übersichtsarbeiten (Leitreview: Linde et al. 2016).
  • Detaillierte Informationen zur Analyse unter www.igel-monitor.de.

Was ist der IGeL-Monitor?

  • Der IGeL-Monitor analysiert Nutzen und Schaden von IGeL (auch „Selbstzahlerleistungen“), damit Versicherte sich informieren können.
  • Träger: Medizinischer Dienst Bund (KöR)

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